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18. Mai 2016

"Du bist so schlampig" - Bewusstwerden der Vor-Verurteilung

Bewertungen, Interpretationen und Spekulationen sind oft der Grund für Konflikte. Während sie unseren Standpunkt festigen und unser Bild von der Welt bestätigen, konfrontieren sie andere mit dieser "Tatsache". Aber: Tatsache ist, dass es nicht DIE Realität gibt. Es gibt nur viele Formen der Wahr-Nehmung und viele Formen der Rekonstruktion von Realität.


Die Gewaltfreie Kommunikation (GfK) baut auf der vorurteilsfreien Beobachtung auf. Sie versucht, emotionale Aufladungen, die sich z.B. durch Erfahrungen oder Befürchtungen ergeben können, zu entmachten und laufende Konflikte zu befrieden. Obwohl das Modell der GfK so einfach klingt, beansprucht schon die vorurteilsfreie Beschreibung eine enorme Energie von uns. Wer einmal den Versuch unternommen hat, die Dinge "einfach so zu sehen wie sie sind" wird bemerkt haben, dass wir ständig unsere Wahrnehmung anreichern durch Adjektive ("schnell, schön, stressig, hässlich...") oder durch Vermutungen ("Das wird der eh wieder tun...) Wenn sie sich wirklich darum bemühen, die Welt lediglich zu beschreiben ohne zu werten, werden sie feststellen:

  1. dass Sie permanent zwischen der Welt da draußen und Ihren inneren Bildern pendeln. Viele Menschen schließen deshalb die Augen bei der wertfreien Rekonstruktion, weil sie viel Energie kostet und die Ablenkungen Aufmerksamkeit abziehen würden
  2. dass Sie mehr Zeit brauchen, um die Dinge zu sehen "wie sie wirklich sind". Im Coaching nennen wir das die Prozess-Verlangsamung. Wir Entschleunigen unsere Wahrnehmung, weil wir die festgefahrenen Muster verlassen und erst wieder lernen müssen, auf unbekannten Pfaden zu laufen.
  3. dass Sie Ihre Wahrnehmung auf Relevanz prüfen. Was ist überhaupt wichtig um genannt zu werden? Welche Details sind mir aufgefallen, was kann ich aber auch getrost weglassen?

Besonders der letzte Punkt macht erneut deutlich: Wahrnehmung geschieht nicht ohne unsere persönlichen Filter. Wir können uns jedoch daran üben, die drei Vorzeichen zur vorurteilsfreien Wahrnehmung (Innen-Außen-Bewegung, Prozess-Verlangsamung, Relevanz) immer wieder anzuwenden und ebenfalls zu automatisieren.

Wenn ich mich mit unterschiedlichen Persönlichkeitstypen im Coaching beschäftige, dann fallen mir ganz verschiedene Brillen auf. Bei narzisstisch strukturierten Menschen zum Beispiel ist die Brille deutlich "rosarot" gefärbt, wenn es um Ihre Außenwirkung geht. Da sie ganz erhebliche Selbstwertprobleme haben, stärken sie ihr labiles Selbst durch eine kulissenhafte Fassade. Sie filtern Kritik an ihrer Person heraus, verbuchen fremde Erfolge aufs eigene Konto oder reagieren mit unverhältnismäßiger Aggression. Man könnte sagen, sie sind auf einem Auge blind, dem Auge der Selbsterkenntnis.