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11. Februar 2024

Zu perfekt um gut zu sein

Vom exzelleten Umgang mit guten Ergebnissen

Neulich war ich Gast in einem Hotel. Zimmer, Restaurant, Spa-Bereich, alles sehr geschmackvoll und in tadellosem Zustand. Die perfekte Herberge, und das alles sogar noch im Rahmen meiner Arbeit. Bevor es zum Abendessen ging wollte ich noch unter die Dusche springen. Allerdings suchte ich das Duschgel vergebens. Und auch der Bademantel war nicht zu finden. Also rief ich an der Rezeption an und bat um beides. Es dauerte keine drei Minuten und der Service stand mit dem Bademantel, einem Körperpflege-Set inklusive Badelotion und drei Pralinen vor meiner Tür. Eine kleine Entschuldigung des Hauses für die Unachtsamkeit. Ich fand das beindruckend. Für mich eine exzellente Reaktion auf das Unperfekte. Das hat mich menschlich berührt, eine Art emotionaler Touch-Point. Bei Perfektion hingegen bin ich zwar beeindruckt, aber irgendwie unbeteiligt. Standen Sie schon mal im Louvre vor der Mona Lisa? Ich finde sie perfekt gemalt, aber gähnend langweilig.



Wir leben in einer Gesellschaft, in der Selbstoptimierung einen hohen Stellenwert hat. Nicht nur Leistungen sollen perfekt sein, es geht auch um die perfekte Persönlichkeit. Das fängt bei exzessivem Körperkult an (Schönheitsfarmen, Bodybuilding-Center, Piercing- und Tattoo-Studios bedienen auch diese Personengruppe) und zieht sich bis in die sozialen Netzwerke, in denen sich Jede*r ins perfekte Licht rücken kann. Bildbearbeitungsprogramme sind davon nur ein kleiner Teil. Der perfekte Urlaub, der perfekte Freund, das perfekte Kind. Und selbstverständlich darf auch der perfekte Job nicht fehlen, denn Jobs müssen heute mehr sein als Beruf, nämlich Berufung. Perfektionisten im Job können wahre Qualitätsantreiber sein - oder Entscheidungsverhinderer. Viele Projekte oder Ergebnisse werden endlos hinausgezögert, weil es eben noch nicht "perfekt" ist. Perfektionisten sind oft Endlos-Macher aber keine Abschluss-Macher. 

Allerdings merken wir manchmal erst etwas später, dass der "perfekt passende Schuh" bei längerem Gebrauch doch an der ein oder anderen Stelle drückt. Laufen wir dann darin einfach weiter, weil er doch so schön ist? Oder stellen wir den kaum genutzten aber doch so hübschen Schuh in den Schrank, in dem er dann rumgammelt? Exzellenz wird dann deutlich, wenn der Verkäufer (oder der Schuster) eine gute Lösung für uns finden und aus dem "perfekten Schuh" ein "passender Schuh" für uns wird. 

Viele Menschen streben nach Perfektion, weil Sie Angst haben im Mittelmaß zu versinken oder nicht wettbewerbsfähig zu sein. Sie haben das Gefühl im ständigen Konkurrenzdruck zu stehen. Daher kann gut, selbst sehr gut, nie gut genug für sie sein. Perfektion ist aber ein Fass ohne Boden, denn Perfektionisten stellen sich immer wieder die Frage, ob es nicht doch noch besser ginge. Das ist ökonomisch unsinnig, sowohl was die Zeit- als auch die Energieressourcen angeht: 80% Einsatz für die letzten 20% Ergebnis, das Pareto-Prinzip lässt grüßen. 

Im Extremfall kann Perfektionsstreben zwanghafte Züge annehmen, wenn zum Beispiel innere Antreiber wie "sei perfekt" oder "streng dich an" massiven Druck ausüben. Zwangsverhalten ist aber alles andere als perfekt, sondern eine große Belastung für die Betroffenen. Zwänge konfrontieren uns mit unserer Angst davor, die Kontrolle zu verlieren. Ein stabiler Selbstwert ist eine günstige Voraussetzung, um nicht in die Perfektionismusfalle zu treten. Coaches unterstützen dabei, diesen Selbstwert-Schatz zu bergen:
Ich bin zwar nicht perfekt, aber super gut gelungen!