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31. März 2023

Jeder ist seines Glückes Schmied. Oder?

Glück ist lernbar. Glück ist eine Entscheidung. Die Ratgeber-Literatur und Kursangebote geizen nicht mit Hinweisen darauf, dass jeder für sein Glück eigenverantwortlich ist. Dabei gibt es einen Unterschied zwischen "Glück haben" und "glücklich sein": Die sechs Richtigen im Lotto, der spontane Termin beim Arzt, die "geglückte" Anschluss-Verbindung bei der Bahn - dieses Glück stellt sich ein ohne unser Zutun, es geht eher in die Richtung Zufall, Schicksal oder Vorsehung. Das Leben hat es gut mit uns gemeint. Wie lange die Freude über dieses Glück anhält ist subjektiv: Selbst die Freude über den Treffer im Lotto erlaubt noch keine Prognose, wie lange der Gewinner sich über dieses Glück freut und ob aus dem "Glück haben" ein "Glücklichsein" wird.

Glücklichsein ist "ein erfülltes, nicht entfremdetes Leben", um es mit Worten Erich Fromms auszudrücken: "Der Mensch, der nicht mehr vom Haben, sondern vom Sein bestimmt wird, kommt zu sich selbst, entfaltet eine innere Aktivität, die nicht mit purer Geschäftigkeit zu verwechseln ist, und kann seine menschlichen Fähigkeiten produktiv einsetzen." (Erich From, "Haben oder Sein" dtv Verlag). Was heißt das für die Praxis? Menschen, die sich als wirksam erleben, die in ein hilfreiches, soziales Netz eingebettet sind und mit Widersprüchen und Mehrdeutigkeiten umgehen können erleben sich häufig als "zufrieden", das ist meine Erfahrung aus mehr als 20 Jahren Coaching und Supervision. Und überhaupt: Reicht Zufriedenheit nicht aus, um ein gutes Leben zu führen? In der Liebe weicht das Verliebtsein irgendwann der Liebe. Vielleicht ist es mit dem Glück ähnlich. Die glücklichen Momente verdichten sich in einem zufriedenen Leben. Für mich klingt das weniger anstrengend, als immer glücklich sein zu wollen - oder zu müssen, denn das wird uns ja allenthalten vorgehalten: Wer nicht dauerhaft glücklich ist, ist selber schuld, hat sich und sein Leben nicht im Griff. Das übt auf viele Menschen einen enormen Druck aus. Und macht unglücklich.






Sich Erfolge ans eigene Revers zu heften, Misserfolge aber den Umständen zuzuschreiben, ist eine gängige Strategie der Selbstwert-Stabilisierung. "Die Karriere ist wohl verdient, schließlich habe ich mich stark engagiert." "Dass ich finanziell keinen Fuß mehr auf den Boden bekomme, ist allein den Banken und der Steuergesetzgebung zu verdanken." Vielleicht war aber im ersten Beispiel gerade viel Glück im Spiel, während im Beispiel zwei die Person dauerhaft über ihre Verhältnisse lebt. Manchmal kann fehlendes Glück aber auch einfach mal Pech bedeuten: Pech, dass der gebuchte Flug ausfällt. Pech, dass Krankheiten auch vor gesunder Lebensführung nicht Halt machen. Pech, wenn ich in der Lotterie immer nur Nieten ziehe. Über Glück wird sehr viel geschrieben, über Pechvögel und Unglücksraben findet man hingegen wenig. Dabei ist das die Kehrseite der Medaille. Zufriedene Menschen sind keine dauerhaften Glückspilze. Sie sind deshalb zufrieden, weil sie mit Phasen von Pleiten, Pech und Pannen besser umgehen können als andere. Sie können sagen "Pech gehabt!" und vertrauen darauf, dass es auch wieder besser wird.

Wenn einem das Haus abbrennt, eine ernste Krankheitsdiagnose gestellt wird oder das Fahrrad geklaut wird, dann kann das alles einfach Pech sein. Manchmal ereignen sich sogar ganze Pechsträhnen. Dann funktioniert auch kein Schönreden, kein Umdeuten, kein positives Denken mehr. Scheiße bleibt Scheiße, auch wenn man sie schön verpackt. Auch tragen unterschiedliche Ausgangspositionen dazu bei, welche Möglichkeiten des Erfolges uns offen stehen. Es macht durchaus einen Unterschied, ob ich in vermögenden, stabilen Verhältnissen aufgewachsen bin oder in einem unsicheren, Ressourcen armen Milieu. Die Umwelt liefert einen ganz erheblichen Beitrag zu unserem erlebten Glücksempfinden und den verfügbaren Mitteln, die ich zum Schmieden des eigenen Glückes brauche. Manchmal tut es einfach nur gut, wenn man die Schuld auch mal beim Pech suchen kann.

"Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist." Das Zitat stammt aus der Operette "Die Fledermaus" von Johann Strauss. Annehmen können, dass sich manche Dinge unserem Einfluss entziehen, macht glücklich. Das Pech zu vergessen, weil es sonst den Blick auf das nächste Glück verbaut, schafft Zufriedenheit.