19. September 2025

Im Grübeln steckt das Übel

Mach dir lieber Sorgen!

Grübler, Zweifler, Skeptiker. Die Gesellen scheinen nicht ganz in eine Zeit zu passen, die von Vorwärtskommen und positivem Denken geprägt ist: „Was du dir vorstellen kannst, das kann auch wahr werden“ habe ich mal als Spruch gelesen, dessen Autor ich nicht herausfand. Man kann den Wahrheitsgehalt dieses Spruches sicher anzweifeln. Denn das entscheidende Wörtchen ist „kann“. Es hält sich alle Optionen offen, denn es „kann“ eben auch nicht wahr werden. Das hat dann in etwa die Qualität eines Horoskops: „Eine Veränderung erwartet dich.“ Aha, dann weiß ich ja jetzt was auf mich zukommt.

Überhaupt ist das Wörtchen „wahr“ ein ganz zentraler Begriff für mein heutiges Thema. Während Zweifler die „Wahrheit“ in Frage stellen, sind Grübler mit der Frage beschäftigt, ob ihre Wahrheit gut oder schlecht ist. Was bis hierhin ja noch in Ordnung wäre. Die (eigene) Wahrheit auf ihre Belastbarkeit und Qualität hin zu überprüfen kann, gerade in der heutigen Zeit, wirklich sehr vernünftig sein. Während der Zweifler aber mindestens eine zweite Wahrheit für möglich hält (die zwei steckt im Zweifel!), gräbt sich der Grübler immer weiter in seine einfache Wahrheit. Grübeln kommt von graben, herumstochern, sich vertiefen. Je mehr sich der Grübler also in seine Wahrheit vertieft, desto weniger kann er über den Tellerrand blicken. Er gräbt sich seine eigene „Grübel-Grube“.

Grübler hängen mit ihren Gedanken in der Vergangenheit. Oft spielen sie selbst und ihr Verhalten dabei eine ganz zentrale Rolle: Habe ich mich richtig verhalten? Hätte ich etwas anders machen sollen? Daraus resultiert oft ein kritisches Selbstbildnis, was nicht selten zu einer Selbstwertproblematik führt. „Pathologisches Grübeln“ kann psychotherapeutisch behandelt werden.


Grübeln ist wie Schaukeln. Man ist zwar ständig in Bewegung, kommt aber keinen Schritt weiter. Die Kraft wird in die „problematische Wahrheit der Vergangenheit“ gesteckt, anstatt über Lösungen und Korrekturen nachzudenken. Daher durchdenken Grübler eine Endlosschleife. Sie sind nicht auf der Erfolgsleiter zur Lösung, sondern im Hamsterrad. Die Gefahr: Wenn sie ihr Ziel endgültig aus den Augen verlieren, verdoppelt sie ihre Anstrengung. Mehr vom Selben scheint für sie die einzige Lösung.




 


Im Coaching unterstütze ich meine Klienten dabei, aus dieser Tretmühle auszusteigen. Dafür „besorge“ ich dann einen anschlussfähigen Perspektivwechsel: Die Sorge! Wer sich sorg, sorgt sich über die Zukunft, stellt Vermutungen an und konstruiert Probleme, die zwar gar nicht da sind, aber in der Gegenwart bereits Wirkung entfalten. Eigentlich eine neurologische Meisterleistung. Die Zukunft zu planen und Wahrscheinlichkeiten berechnen zu können ist sicher ein großer Vorteil. Das wir uns durch‘s „Sorgen machen“ aber in einen „Stuck-State“ bringen können, ist schon ziemlich bekloppt. Dabei steckt in der Sorge eine Doppelbedeutung: Die Angst vor der Zukunft und das Sorgen dafür, dass es eine gute Zukunft wird. Der Auftrag im Coaching lautet daher: Wie sorgen Sie dafür (oder was besorgen Sie sich jetzt), damit es in Ihrem Sinne läuft? Damit haben wir dem Grübeln die Macht genommen. Und das Schaukeln macht wieder das, wofür es gedacht ist. Spaß!


Grübelst du noch oder sorgst du dich schon?




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