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30. November 2022

Das Leben in Mustern.

Zu Chancen und Risiken lesen Sie die Packungsbeilage.


Menschen lieben Muster. Genauer gesagt: Unser Gehirn liebt Muster. Es ist permanent damit beschäftigt in unserer Umgebung Muster zu identifizieren: Abscannen, vergleichen, einordnen. Was nirgendwo richtig hinpasst wird von ihm passend gemacht. Das Gehirn ist ein absoluter Experte darin, Muster zu schaffen. Quasi eine Art Musterschüler. Es entdeckt Muster am Himmel, im Sand, im Teig, in Geräuschen und im Gefühl. Wie Kriminalisten versucht es im Allltäglichen Muster zu erkennen. Dadurch werden Dinge erklär- und vorhersehbar. Unser Hirn "bemustert" unentwegt die Umgebung und leitet daraus (s)eine Logik ab:

2 - 4 - 8 - 16 - 32.... Sherlock Hirn erkennt sofort das Muster. Die Zahlen verdoppeln sich jedesmal. Die nächste Zahl muss also 64 lauten. Hirnlogik. Passt eben in sein Muster. Wer käme schon auf die Idee, dass die nächste Zahl auch 33 oder 34 oder 35 heißen könnte. Das Muster (Sie können es auch Regel oder Logik nennen) ist nämlich: Jede Folgezahl muss größer sein als die Vorangegangene. Zu einfach für unser Gehirn. Es hat ja etwas anderes gelernt: Wenn sich die Werte jedesmal verdoppeln, dann muss die Konsequenz...... na, Sie wissen schon. Tatsächlich scheint diese Logik nicht mehr ganz in eine Welt zu passen, die von Unsicherheiten und ständigen Veränderungen gekennzeichnet ist. Auf 3-2-1 folgt grün. Oder Currywurst. Oder etwas völlig anderes. Im Kern steuert unser Gehirn nicht unsere Wahr-Nehmung, sondern sorgt für seine ganz eigene Wahr-Gebung. Es legt Aussagen in etwas hinein ("Da erkenne ich ein Muster!"), weil das viel einfacher ist, als Neuigkeiten aus etwas herauszuholen. Wir sollten unserem Gehirn deswegen öfter misstrauen. Es tendiert zur Musterlösung. Mit allen Vor- und Nachteilen. Jedem Hirn sollte mit der Geburt eine Gebrauchsanweisung beigefügt werden. Und eine Packungsbeilage mit den zu erwartenden Chancen und Risiken. Leider wird speziell über die unerwünschten Nebenwirkungen im späteren Leben eher wenig aufgeklärt. Und wenn ja, dann in einschlägigen Mustern.






Muster geben uns Orientierung in einer komplexen Welt. Sie schenken uns Sicherheit, Ordnung und halten uns handlungsfähig. Vorurteile und Erwartungen folgen einschlägigen Mustern. "Ganz typisch. Kenne ich, läuft immer so. Überrascht mich nicht." Schwupp, und schon wieder wird eine weitere Masche ins Muster gewebt. Ohne die Tendenz zur Musterbildung (dazu gehören Gewohnheiten, Routinen, Rituale) müssten wir jedesmal unsere Umgebung völlig neu erfassen und bewerten. Ein zeit- und energieaufwändiger Akt, den das Gehirn möglichst vermeiden möchte. Ressourcen sparen steht seit vielen tausend Jahren auf dem Bio-Bauplan Mensch. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert, auch wenn es an "Nervennahrung" inzwischen kaum mehr mangelt. Diese Nervennahrung brauchen wir besonders oft in stressigen Zeiten. Interessanterweise füttern wir damit aber in erster Linie unsere Kohlenhydratspeicher oder versüßen uns die anstrengende Arbeit etwas. Besser denken können wir dadurch nicht. Eher im Gegenteil: Stresssituationen sind ein wahrer Nährboden für Muster. Lenken statt Denken ist dabei die Devise.

Muster haben noch einen anderen großen Vorteil. Sie geben den Dingen (oder den Menschen) einen Sinn. Wir versuchen Zusammenhänge herzustellen, um uns die Welt zu erklären. Wir kommen aus einer Kausal-Welt (also geprägt durch das Zusammenspiel von Ursache und Wirkung) und geraten immer mehr in eine multidimensionale Welt. Dann muss es doch irgendeinen Sinn ergeben, wenn sich die Dinge so verselbständigen. Menschen brauchen Antworten. Die bekommen wir als Musterlösungen. Sie bedienen unser Bedürfnis nach Konsistenz, nach einer schlüssigen Geschichte, die mit möglichst wenigen Widersprüchen auskommt.

Muster können eine enorme Macht entfalten, die tiefe Spuren in unserem Denken, Erleben, Fühlen und Verhalten hinterlassen. Sie prägen die Persönlichkeit entscheidend mit. Eine gängige Definition: "Persönlichkeit ist die Summe aller (typischen) Merkmale oder Eigenarten eines Menschen." Hinter diesen "Merkmalen und Eigenarten" stecken Muster. Ganz so wie die DNA, die ebenfalls ein ganz individuelles Muster aufzeigt. Während wir aber über einen DNA Test unser individuelles Zell-Muster eindeutig identifizieren können, ist die Klärung unserer Denk- und Verhaltensmuster weitaus anspruchsvoller. Was des Menschens "Wesenskern" ist, was seine einzigartige "Authentizität" ausmacht, kann bis heute niemand eindeutig beantworten. Was ist denn das Original eines Menschen? Manchmal erkennen wir uns selbst nicht mehr wieder, sind uns selbst fremd geworfen oder stehen neben uns. Das kann eine leidvolle Erfahrung sein, die uns sorgt oder sogar ängstigt. Im schlimmsten Fall machen uns zu starke oder fehlende Muster sogar krank. Das ist eine Art Über- oder Unterregulierung. Wir funktionieren dann nur nach Plan oder wir haben gar keinen Plan.

Gott sei Dank sind wir nicht Sklaven unserer Muster. Wir können Muster unterbrechen. Wir können Muster auf ihre Tauglichkeit hin untersuchen, sie modifizieren oder ganz neue Muster anlegen. Ein Leben ganz ohne Muster wird es nicht geben können, schon weil soziale Interaktion eigenen Mustern folgt. Sie machen Zusammenleben erst möglich. Aber ein gelegentlicher Blick in die eigene "Musterkollektion" ist extrem hilfreich, weil wir dadurch Beziehungen fördern und unsere eigene Zufriedenheit steigern können. Manchmal hilft es, sich gegenseitig zu mustern. Durch gute Freunde, Kollegen oder mit einem Musterstörer-Profi. Die herannahende Weihnachtszeit ist für viele Menschen eine gute Gelegenheit, mustergültiges Verhalten auf den Prüfstand zu stellen und auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Manches Muster kann nämlich zu einer ganz schönen Bescherung werden.....