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10. September 2016
Man wird doch auch mal 'Scheiße' sagen dürfen
"Mein Therapeut erklärte mir, es gibt keine Probleme, sondern nur Konstruktionen" äußert mein Kunde in der Coaching-Einheit. "Haben Sie mal darüber nachgedacht" erwidere ich, "dass Therapeuten selbst ein Problem hätten, wenn andere Menschen nur von Konstruktionen sprechen würden? Fragt man einen Anwalt, wie die Geschäfte laufen, kann schon mal die Antwort kommen: Schlecht, ich kann nicht klagen."
Vielleicht kennen Sie die Sprüche: "Es gibt keine Probleme, es gibt nur Aufgaben." *kotz* "Scheiße ist der Dünger für neue Ideen" *puh* "Wenn sich eine Tür schließt geht eine neue auf" *quitsch*
Wir leben im Zeitalter des Refraimings, des Umdeutens in eine positive Richtung. Alles soll einen tieferen Sinn haben, die Sehnsucht nach Sinn scheint unerschöpflich: Die Kündigung macht Sinn, der Betrug des Partners macht Sinn, der Unfall macht Sinn. Und manche suchen auch in ihrer Erkrankung nach dem Sinn und der Botschaft die darin steckt.
Gerade habe ich eine Kollegin verabschiedet. Eine 41-jährige lebensfrohe Frau, voller Krebs. Innerhalb weniger Monate entwickelte sie sich von einer kraftvollen Macherin zu einem Häufchen Elend. Da stellen sich mir die Haare zu Berge, wenn ich nach dem Guten im Schlechten suchen soll. Ich finde es einfach nur SCHEISSE.
Meine Kunden rege ich im Coaching dazu an, dass, was sie als Kacke empfinden auch als solches zu benennen. Ein buntes Päckchen drum rum ändert nämlich an dem ekelhaften Gestank rein gar nichts.
Manchmal sind es meine Kunden schon so gewohnt, die Dinge positiv umzuformulieren, dass es ihnen selbst gar nicht mehr auffällt. Dann unterbreche ich diese "Wort-Kosmetik" und konfrontiere ganz direkt: "Das klingt nun wirklich so, als würden Sie auf einem ganz schönen Haufen Scheiße sitzen." Oft lachen wir dann gemeinsam, gelegentlich fließen auch Tränen, aber es wirkt immer befreiend.
Ich finde, man sollte die Dinge auch mal beim Namen nennen dürfen.