Durchhängeritis in der Teppichboden-Etage
Es sind eben nicht immer nur die Mitarbeiter, die ein Arsch-hoch-Problem haben. Eine erhebliche Zahl an Führungskräften leidet ebenfalls an chronischer Unlust. Fehlende Motivation ist keine Frage der Hierarchie, sondern eine Frage von Sinnfindung und Wirksamkeitserleben. Es ist längst überfällig genau hinzuschauen, wo Veränderung bzw. Entwicklung ausgebremst wird. Oft, so meine Erfahrungen aus jahrelanger Prozessbegleitung, fehlt die Aufbruchstimmung im Chefzimmer. Hier bewegt sich zu wenig.
Anstatt Mitarbeiter auf Incentives zu schicken, um deren Motivation zu steigern, lohnt sich ein Energie-Check in der Führungsetage. Aber anstatt sich einer Selbstinspektion zu unterziehen beschäftigen sich Chefs nach wie vor lieber mit Motivationstechniken. Sie finden über 120.000 Seiten auf der Google Suchmaschine mit Infos zur Mitarbeitermotivation, aber gerade einmal ein Drittel davon zur Selbstmotivation. Mit der Fragestellung "Wie motiviere ich meinen Chef?" finden sich gerade mal eine handvoll Einträge. Ist es absurd darüber nachzudenken, wie Motivation von unten nach oben erfolgen kann?
Im Hinblick auf die neuen Arbeitsformen in der Arbeitswelt 4.0 ist es angebracht, das alte Muster "Motivation von oben nach unten" in Frage zu stellen. Chef sein ist kein Privileg mehr, sondern eine Dienstleistung auf Zeit. Wer am besten kann, der führt. Türschilder und Visitenkarten werden nicht mehr gebraucht, um Positionen festzuschreiben, die flüchtig geworden sind.
Der Gehirnforscher Manfred Spitzer betont in seinem neuen Buch "Einsamkeit - die unerkannte Krankheit": "Wenn Mitarbeiter mit ihren Problemen am Arbeitsplatz alleingelassen werden [...], kommt Stress auf, und der macht krank." Und weiter heißt es: "Gestresste Mitarbeiter haben einen Chef mit Fortbildungsbedarf." In Deutschland sagen nur 47% der Mitarbeiter, dass sie ihr Chef bei Fragen und Problemen unterstützt. Damit gehören wir zu den Schlusslichtern in Europa.
Für Mitarbeiter stellt sich damit eine neue Frage: Was treibt meine Führungskraft an, was bewegt sie? Die individuellen Beweggründe in agilen Teams werden deutlich wichtiger, weil der Rollenwechsel von Chef zu Mitarbeiter (und umgekehrt) fließend wird und regelmäßig geschieht. Die Führungskraft auf Zeit ist vorübergehend ein strategischer Mitarbeiter, ein Möglichmacher, aber in erster Linie ein Mitarbeiter. Früher schienen Chefs häufig den Mitarbeitern "entrückt", eine andere Spezies. Etliche davon sind auch heute noch unterwegs. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum die Lust an der Leistung verloren gehen kann. Macht kann auch einsam machen.
Wenn Sie sich also die Frage stellen, wie Sie Ihren Chef motiviert bekommen, greifen darauf die gleichen Antworten wie bei der Mitarbeitermotivation. Hierzu gibt es, wie gesagt, eine ganze Fülle an Ratgebern. Wenn Sie jedoch zu der Gruppe derer gehören, die von Fremdmotivation wenig halten, dann finden Sie keine passende Antwort auf die Frage. Bleibt die Hoffnung, dass die Führungsverantwortung schnell in neue Hände kommt. Vielleicht in Ihre, dann könnten Sie es besser machen.